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Kritik: Freiheit fürs Internet – Vernetzt gegen die Zensur

Das Internet einfach abschalten – davon träumen viele Diktatoren. Doch eine Dauerlösung ist das auch für sie nicht, zu wichtig ist das Netz inzwischen für die industrielle Infrastruktur selbst der Diktaturen. Zudem gibt es längst trickreiche Wege, sogar schärfste staatliche Zensurmaßnahmen zu umgehen. – Damit beschäftigt sich nun auch John A. Kantaras Dokumentation „Freiheit fürs Internet“. Im Mittelpunkt steht die sogenannte Facebook-Revolution in Ägypten im Frühjahr 2011, aber auch die Ereignisse in Syrien und die staatliche Netzzensur in China werden kurz thematisiert. Viel Neues hat Kantara da zwar nicht zu berichten. Dennoch wird mal wieder deutlich, welche große Rolle das Netz in autoritär regierten Staaten spielt, wo oppositionelle Gruppen und Bewegungen es nutzen, um ihr Recht auf Informations-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzufordern. Und das oft erfolgreich.

Wesentlich interessanter wird die Dokumentation, wenn es um Bestrebungen geht, die staatliche Zensur raffiniert zu umgehen. Und in diesem Fall spielt ausgerechnet die US-Regierung eine wichtige Rolle. Eine Überraschung bestimmt für viele Netzaktivisten, für die die USA schon traditionell als globale Supermacht zum Reich des Bösen gehört. Doch es ist tatsächlich das US-Außenministerium, das gezielt die Entwicklung von Techniken, von Werkzeugen finanziert, mit denen sich Internet-Sperren umgehen lassen. „Ich bin stolz darauf“, erklärt US-Außenministerin Hillary Clinton dazu im Film, „dass wir mittlerweile in mehr als 40 Staaten Menschen helfen, die von ihren repressiven Regierungen zum Schweigen gebracht werden sollen.“

Einige dieser Werkzeuge werden im Film kurz vorgestellt. Dabei handelt es sich vor allem um Software, die es Netzsurfern erlaubt, durch einen recht simplen Trick auf von der Zensur gesperrte Netzangebote zu gelangen. Eine Technik, die übrigens auch zahlreiche deutsche Nutzer anwenden, wenn sie – wegen eines Rechtsstreits zwischen Google und der Gema – für Deutschland gesperrte Musikvideos auf YouTube sehen wollen. Und mit der man auch meist aktuelle amerikanische Fernsehfilme und –serien im Netz betrachten kann, die aus Copyright-Gründen ausschließlich US-Bürger vorenthalten sind. Mit dieser natürlich rein rechtlich bedenklichen Erscheinung muss dann eine Internet-Freiheitskämpferin wie Clinton sich eben arrangieren, denn das Netz lebt in vielen Nischen trotz aller staatlicher Regulierungswut und zunehmend errichteter einfältiger Bezahlschranken („Paywalls“) immer noch nach der alten Sponti-Devise: Legal, illegal, scheißegal.

Nicht egal, sondern einfach clever ist das auch in den USA entwickelte „Internet im Koffer“. Es ermöglicht Menschen mit simplen technischen Geräten, die tatsächlich alle in einen Koffer passen, einen freien Zugang zum Internet, wenn der von staatlicher Seite unterbunden ist. Und auch in Mitteleuropa gibt es Initiativen, die den Aufbau völlig unabhängiger Netze anstreben. Beispielsweise „FunkFeuer“ in Österreich, wo Aktivisten unter anderem in Wien mittlerweile ein von Providern völlig unabhängiges nicht kommerzielles Netz errichtet haben. Also ein staatlich kaum kontrolliertes Netz für jedermann, das zudem den Vorteil gegenüber vergleichbaren kommunalen Netzen hat, das amtliche Bedenkenträger jeglicher Couleur nichts zu sagen haben.

Aber es gibt – wie der Film zeigt – leider auch die Gegenbewegung, mit der versucht wird, das Netz und seine Nutzer zu überwachen. Beispielsweise Späh- und Spionagesoftware, die heimlich wie ein Virus auf den Computern der Zielpersonen installiert wird, um deren Aktivitäten „auszuhorchen“. Die entsprechende Software, die diese Einschränkung der Freiheit ermöglicht, wird meist in westlichen Ländern – auch im Auftrag der Geheimdienste – entwickelt. Und von dort aus gelangt sie dann oft ganz legal in die Hände von Diktatoren. Ein mehr als zwielichtiges Geschäft, an dem deutsche Firmen immer noch beteiligt sind. Und das von Staaten geduldet wird, die sich sonst gern wortreich für Freiheit einsetzen.

Am Anschluss des Films, um 21 Uhr, diskutiert Gert Scobel mit dem Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer und dem Soziologen Armin Nassehi über die Themen des Films.

3sat, 12.7., 20.15 Uhr und in der Mediathek

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  1. Juli 12, 2012 um 2:06 pm

    Cooler Film Tipp und Kritik.
    Dein Blog ist immer wieder gut.

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