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Kritik: Polizeiruf 110 – Einer trage des anderen Last

Erst seit 2010 ermitteln im Rostocker-„Polizeiruf 110“ Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner gemeinsam, sie als Profilerin Katrin König und er als Hauptkommissar Alexander Bukow. Und inzwischen sind die beiden unterschiedlichen Charaktere schon ein so exzellent eingespieltes Team, dass sie in diesem Jahr daher auch für den Grimme-Preis nominiert sind. Doch in ihrem fünften Fall, „Einer trage des anderen Last“, ist Hübner ausnahmsweise fast auf sich allein gestellt, weil Sarnau bei den Dreharbeiten hochschwanger gewesen und dann im Juni 2011 Mutter eines Junge geworden ist. Nach ihrer Babypause wird sie aber zum „Polizeiruf“ zurückkehren. Eine gute Nachricht für alle TV-Krimi-Fans.

Aber Hübner kann es auch alleine. Gleich zu Anfang kommt es zu einem folgenschweren dramatischen Einsatz. Ein Gefangenentransporter wird überfallen, ein Häftling befreit, dann von seinen „Befreiern“ gefoltert und schließlich getötet. Als König und Bukow kurz danach zum Tatort kommen, gibt es einen Schusswechsel mit den Tätern, bei dem die Profilerin schwer verletzt wird. Sie wird später dann im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt (bis kurz vor Ende des Films). Und Bukow macht sich nun schwerste Vorwürfe, dass er seiner Kollegin beim Einsatz nicht genügend Rückendeckung gegeben hat.

Schuldvorwürfe, die dazuführen, dass er im Lauf des Films immer kurz davor ist, gegenüber Verdächtigen und auch Kollegen vor Wut und Verzweiflung die Kontrolle zu verlieren. Ja, Bukow sieht tatsächlich rot und führt sich auf wie ein wilder Stier, wie eine hochexplosive Testosteron-Bombe. „Immer“, schreit er beispielsweise bei einer Dienstbesprechung, „müssen wir Beweise liefern. Beweise, Beweise, Beweise. Das kotzt mich an.“ Kurz danach fliegen dann die Fäuste. Und nur im letzten Moment können seine Kollegen Schlimmeres vermeiden. Mit welcher körperlichen Präsenz und psychischen Verstörtheit Hübner das alles spielt, macht den Film allein schon sehenswert. Und erinnert bisweilen an den frühen Schimanski.

Überraschend schnell haben die Rostocker Ermittler dann aber eine erste Spur. Fünf Jahre zuvor wurde auf ganz ähnliche Weise und ebenfalls höchst brutal ein Geldtransporter überfallen und ein Millionen Betrag erbeutet. Zu den Verdächtigen haben unter anderem Fred Hansen (Hans Löw) und Mirco Lewandowski (Gerdy Zint) gezählt, zwei skrupellose Typen aus dem Rotlichtmilieu. Aber auch die Schwester des anfangs gefolterten und getöteten Häftlings verhält sich seltsam. Verkörpert wird sie von Maria Kwiatkowsky, eines der großen Nachwuchstalente des deutschen Films und Fernsehens, das im vergangenen Jahr im Alter von 26 Jahren plötzlich verstorben ist.

Nicht zuletzt wegen der vielen guten Darsteller, zumeist unverbrauchte TV-Gesichter, ist dem Regisseur Christian von Castelberg ein Ausnahme-„Polizeiruf“ und eine interessante Milieustudie (Drehbuch: Eckhard Theophil) gelungen. Dabei hat er seinen Darstellern offenbar viele Freiheiten gelassen. Dazu sagt er in einem Interview: „Sie haben nie etwas zweimal gemacht, ihre Ideen kamen immer aus dem Moment – mal hat’s gestimmt, mal überhaupt nicht, aber es war immer authentisch, unverbraucht, frech und direkt. (…) Mit solchen Schauspielern geht es nur, wenn man sagt: ‚Spielt, macht’ – was allerdings für den Kameramann heißt: hinterher rennen!“ Und das Rennen sollte man sich als Zuschauer nicht entgehen lassen.

ARD, 19.02.2012, 20:15 Uhr 
Eins Festival, 19.02.2012, 21:45 Uhr / Eins Festival, 19.02.2012, 23:45 Uhr

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