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TV-Kritik: Clara Immerwahr

Sie hat fast ihr ganzes Leben lang gekämpft: als frühe Feministin für die Rechte der Frau, als begabte Chemikerin in einem Männer dominierten Wissenschaftsbetrieb und als glühende Pazifistin gegen die damals herrschende Kriegsbegeisterung. Und trotz ihres großen Engagements ist ihr Name heute so gut wie vergessen. Die Rede ist von Clara Immerwahr, die sich im Alter von 44 Jahren am 2. Mai 1915 vor der Berliner Villa ihrer Familie erschossen hat. Und an die nun im Rahmen ihres Themenschwerpunkts „Erster Weltkrieg“ die ARD dankenswerter Weise mit einem sehenswerten Film erinnert, den Harald Sicheritz nach einem Drehbuch von Susanne Freund und Burt Weinshanker inszeniert hat.

Die filmische Biographie „Clara Immerwahr“ beginnt 1887 in Breslau. Dort wuchs die Titelheldin als Tochter einer wohlhabenden liberalen jüdischen Familie auf. Sie träumte schon als Mädchen davon, ihr Abitur zu machen, um später dann Chemie zu studieren. Ein damals fast schon exotischer Wunsch für eine Frau, den die junge Clara trotz des Widerstands der von Männern beherrschten Institutionen schließlich realisierte. Und sie war dann sogar an der Universität Breslau die erste Frau, die ein Doktorexamen ablegte. Kurz danach heiratete sie den Chemiker Fritz Haber, den späteren Nobelpreisträger für Chemie (1918), ging mit ihm unter anderem nach Karlsruhe und Berlin, wo er an Forschungseinrichtungen arbeitete. Zuletzt als Gründungsdirektor des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts, das heute seinen Namen trägt.

Trotz Ehe und eines bald geborenen Sohnes wollte Clara weiterhin als Chemikerin arbeiten am besten zusammen mit ihrem Mann. Ihr Vorbild war das Ehepaar Marie und Pierre Curie, die 1903 gemeinsam mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden. Doch an diesem Vorhaben scheiterte Clara. Und der Film zeigt recht anschaulich, mit welcher Ignoranz, mit welchen Ressentiments und sogar Schikanen Frauen und Wissenschaftlerinnen wie Clara im wilhelminischen Deutschland zu kämpfen hatten. Und auch ihrem Mann, der sie anfangs noch unterstützte, war ihr für damalige Verhältnisse ungewöhnliches Engagement zunehmend unangenehm, weil er dadurch seine Karriere gefährdet sah.

Anfangs, folgt man dieser filmischen Biographie, wehrt sich Clara noch gegen ihr drohendes Scheitern, doch langsam verwandelt sich die früher so willensstarke und lebensfrohe Rebellin in eine zunehmend resignierte Mutter und Hausfrau. Und nur ab und an spürt man noch ihren einstigen Widerstandsgeist, der sich dann in kleinen „unweiblichen“ Provokationen Luft macht. Doch gegen Ende des Films überschlagen sich plötzlich die Ereignisse, als Clara schmerzhaft erkennen muss, dass ihr Mann nach Ausbruch des Krieges für das Militär an der Entwicklung von chemischen Waffen arbeitet. Und er gilt heute noch als „Vater des Gaskriegs“, der sogar die ersten Anwendungen dieser grausamen Waffen an der Front selbst überwacht hat. Für Clara bricht daraufhin die Welt zusammen. Eine Welt, die allerdings vorher schon für sie sehr brüchig geworden ist.

Weiter lässt sich die packende Geschichte an dieser Stelle allein aus Platzgründen nicht vertiefen. Und das ist auch das Problem, mit dem der Film zu kämpfen hat. Notgedrungen fällt angesichts der Themenvielfalt vieles unter den Tisch oder wird nur kurz angesprochen. Auch die zwiespältige Rolle, die Claras Ehemann bei diesem menschlichen Drama gespielt hat. Dennoch wird ein vielschichtiges Bild einer interessanten, ja großen Frau geliefert. Was nicht zuletzt auch an der exzellenten Leistung der Hauptdarstellerin Katharina Schüttler liegt, die gut ergänzt wird durch ihren Film-Ehemann Maximilian Brückner. Und nicht unerwähnt bleiben darf die vorzügliche Ausstattung dieser ARD-Produktion.

ARD, 28.05.2014, 20:15 Uhr
ARD, 29.05.2014, 01:05 Uhr / Eins Festival, 31.05.2014, 20:15 Uhr
3sat, 04.06.2014, 21:45 Uhr